Sonntagsgedanken

  • sind Impulse und Gedanken zum Sonntag - entweder geprägt durch das Kirchenjahr oder thematisch losgelöst.
  • werden in der lokalen Presse veröffentlicht.
  • sind von katholischen und evangelischen pastoralen Mitarbeiter:innen, Pfarrer:innen des evangelischen Kirchenbezirks und des katholischen Dekanats verfasst.

Viel Freude beim Lesen und persönliche Inspiration!

16.03.2025 Luft holen!

So lautet der Titel der evangelischen Fastenaktion „7 Wochen ohne“ 2025. Jedes Jahr gibt es dazu einen Kalender mit Bild und kurzem Impuls für jeden Tag von Aschermittwoch bis Ostern.

Er hängt an der Wand einer Schulfreundin, die mit doppeltem Bruch des Sprunggelenks grad ans Haus gefesselt ist. Sie braucht dieses geistliche „Luft holen“, sagte sie mir beim Besuch. Meine Tochter nahm den Kalender mit ins Büro, eine kurze Atempause für Menschen zwischen Bildschirmen und Schreibtisch. Auch für mich gehört er zu diesen Wochen. Nur einmal, in Corona-Zeiten, da war er ausverkauft.

„Luft holen“ – ein guter Titel. Dazu „Fenster auf“ als Motto für die erste Woche, samt Bibelwort „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in die Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen“ (Gen 2,7).

Manchmal fühlen wir Erdenschwere. Der Körper zwickt und zwackt. Belastungen und Sorgen nehmen die Luft zum Atmen. „Aus Erde gemacht“ sind wir, „Fleisch“ so sagt die Bibel. Wie wahr! Aber da ist auch das andere: Der Odem des Lebens durchströmt uns, von Gott hineingeblasen macht er uns zu lebendigen Wesen. Jeder Atemzug erinnert uns daran.

Tut er das? Meist nehmen wir es gar nicht wahr. Erst dann, wenn der Atem stockt oder uns die Luft ausgeht. Dabei könnte es so einfach sein. Einfach „Fenster auf“, frische Luft rein lassen, erst mal tief durchatmen, so wie die Krankenschwester, die morgens für die Patienten erst mal das Fenster aufmacht, damit der frische Sauerstoff die abgestandene Luft vertreibt. Und die Müdigkeit. Und einen Schuss Mut und Lebenskraft gibt, einen Hauch vom Odem Gottes.

Auch Jesus wusste um Atempausen. Immer wieder ging er „Luft holen“ in allem Trubel mit all den Menschen, die was von ihm wollten. Allein zog er sich zurück, war plötzlich verschwunden. An diesen Rückzugsorten betete er, war in Kontakt mit Gott.

Eine gute Idee, auch für uns. Also Luft holen und durchatmen. Unsere kleine Auszeit mit Gott. Und wenns nur ein tiefer Atemzug ist, der uns durchströmt und bewusst macht: „Ich bin Geschöpf Gottes“. Bei jedem Atemzug uns erinnern, dass Gott uns zu lebendigen Wesen gemacht hat, die leben, lieben, ihn loben. Fenster auf für Gott und atmen vom „Odem des Lebens“.

 

Pfarrerin Gabriele Krohmer
Referentin bei Dekan Zweigle

09.03.25 Fastenzeit – Tür zu einem Mehr an Haltung und Leben

„Aller guten Dinge sind drei“ – vielleicht kann dies auch für die begonnene Fastenzeit gelten; denn in der Fastenzeit geht es nicht um weniger, sondern um ein mehr an Leben. Die drei Wege, die u.a. das Matthäus-Evangelium nennt, sind: Gutes tun (Almosen geben), vermehrt Kontakt mit Gott suchen (beten) und sich selbst besser kennenlernen (fasten).

Dabei geht es auch um unsere eigene Haltung. Warum und was tue ich? Ist es Gewohnheit, Erwartung, Angst oder Überzeugung?

Manchmal könnten wir denken, dass unser Verhalten das Wichtigste sei. Doch tiefer liegt etwas, das unser Tun steuert: unsere Haltung. Manchmal stehen Verhalten und Haltung nicht im Einklang.

Notwendig erscheint mir, sich der eigenen Haltung bewusst zu werden. Dazu gehört das Beobachten des eigenen Verhaltens, aber auch das Hören auf die eigenen Gedanken und die Hinweise meines Umfelds. Ein hilfreicher Maßstab ist Jesus selbst. Er lebte eine Haltung der Liebe, der Demut und der Gerechtigkeit. Wo unterscheidet sich meine Haltung von seiner?

Wenn ich mir meiner Haltung bewusst bin, kann ein weiterer Schritt sein, Haltungen zu verändern.  Spirituell würden wir eher von innerer Erneuerung sprechen. Die Bibel spricht im Hebräerbrief (4,12) von Gottes Wort als scharfes Schwert, das unser Innerstes durchdringt. Wer regelmäßig in der Schrift liest oder sie hört, kann feststellen, dass Gottes Geist die eigene Haltung formt.

Und dann geschieht Veränderung auch durch neue Erfahrungen. Manche Haltungen verändern sich erst, wenn Menschen sich auf neue Situationen einlassen. Jesus forderte seine Jünger immer wieder heraus: Sie sollten auf dem Wasser gehen, den Hungrigen dienen … (Lukas 19,1-10).

Veränderung geschieht auch durch Gebet und den Heiligen Geist. Christen glauben, dass eine tiefgreifende Erneuerung nicht allein durch Willenskraft verändert wird, sondern Gottes Wirken in uns notwendig ist.

Doch Haltungsveränderung ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit. Unsere Gesellschaft und Arbeitswelt stehen vor großen Herausforderungen. Umso mehr brauchen wir Haltungen wie Vertrauen, Hoffnung und Verantwortung. Statt Härten gegenüber Schwächeren sind Mitgefühl und Barmherzigkeit gefragt. Eine Haltung der Ehrlichkeit, Zusammenarbeit und eine Haltung des Dienens sind wesentlich für eine bessere Zukunft.

Haltungen prägen die Welt zum Guten oder Schlechten.

Vielleicht spüren auch wir den Ruf zu einem Neuanfang, zu Veränderungen. Und dabei könnte ein Maßstab für einen wahren Aufbruch der Blick auf den Maßstab Gottes sein. Denn: Ein Aufbruch, der von Gott kommt, bringt Leben. Er führt zu mehr Gerechtigkeit, mehr Liebe, mehr Hoffnung.

Die 40 Tage der Fastenzeit geben Gelegenheit dazu.


Norbert Köngeter
Stadtdiakon und Betriebsseelsorger der Katholischen Kirche Göppingen

02.03.25 Ich bin doch nicht blöd?

„Ich bin doch nicht blöd...“ - mit diesem Werbespruch nervte uns eine Zeitlang ein großes Handelsunternehmen. Gemeint war: Ich bin doch nicht so blöd und laß mir ein Schnäppchen entgehen. Diese Haltung ist kennzeichnend für eine Ellenbogengesellschaft, die das Ego in den Mittelpunkt stellt. Hauptsache, ich komm gut durch! Man wäre ja blöd, wenn man nicht alles, was geht, für sich selbst herausholen würde! Die Redewendung begegnet uns auch sonst: Ich bin doch nicht blöd und putz den Dreck der anderen weg! - antwortet jemand auf die Frage, ob er bei der Cleanup-Gruppe mitmachen möchte. Ein Rentner sagt die wöchentliche Skatrunde ab, weil er jetzt einem afghanischem Flüchtlingsbuben Nachhilfe in Deutsch gibt. „Der isch schö blöd, wenn der für so ebbes sei Zeit opfert“ sagen andere über ihn.

Der Apostel Paulus schreibt in einem seiner Briefe: „Wir sind Narren um Christi willen“ (1. Kor. 4, 10).   Er meint damit: Die Leute halten uns für verrückt, weil wir einen von der Staatsmacht am Kreuz Hingerichteten als Gottes Sohn verehren.  Sie sagen, wir seien schön blöd, für unseren Glauben an diesen gekreuzigten Jesus Nachteile - ja Verfolgung! - in Kauf zu nehmen. Wie blöd muss man eigentlich sein, um zu behaupten, dieser Gekreuzigte sei auferstanden und mit seiner Kraft lebendig wirksam! Der hat doch keine Länder erobert und keine Paläste gebaut!  Wie kann man nur?!!  -  Ja, der Paulus hat recht: An den Maßstäben der herrschenden Weltvernunft gemessen sind wir Christen tatsächlich „Narren“. Wir glauben gegen alle Vernunft und Welterfahrung, dass dieser schmählich gekreuzigte Jesus der Sieger ist, wahrer Mensch und wahrer Gott. Verrückt, wie?! Wir stellen uns mit ihm auf die Seite der Schwachen und Verlierer.  Wir glauben unbeirrbar daran, dass die Liebe Jesu Christi die stärkste Kraft ist – stärker als alle Gewalt und

Menschenfeindlichkeit. Wir glauben, dass unser Heiland Jesus Christus aller Welt zeigt, dass seine Liebe für Menschheit und Welt die Rettung und Erlösung ist.  Wir stehen an den Gräbern unserer Toten, haben vor Augen die Unerbittlichkeit des Todes und singen Lieder von Auferstehung und ewigem Leben. Das ist doch irgendwie irre, oder nicht? Ganz gegen alle Vernunft!

So sieht das also aus, das „Wir sind Narren um Christi willen“. Mitten in den widersprüchlichen Zuständen der Welt weisen wir auf eine andere Wirklichkeit hin, die sich in der Liebe Jesu Christi zeigt. Sie ist in allen lebendig, die sich gegen Hass und Menschenfeindlichkeit stemmen und für ein mitmenschliches Miteinander kämpfen. Sie sind sich nicht zu blöd, um Zeit und Kraft für andere zu opfern.  Wie schön, dass es so viele „Verrückte“ gibt, die an den Sieg der Liebe Jesu Christi glauben – oft gegen alle Erfahrungen von Gewalt und Hass! Ja, wir sind so blöd und lassen uns von denen nicht beirren, die über uns lachen und sagen: Ihr Traumtänzer, Euer gutmenschliches Gerede von Nächstenliebe und Barmherzigkeit hält doch den Realitäten dieser Welt nicht stand! Doch, antworten wir, wir kennen die Realitäten sehr wohl. Unser Heiland Jesus Christus hat sie erlitten und überwunden. Der Glaube an ihn gibt uns Kraft und Hoffnung.                                                                                                    


Walter Scheck,
Pfarrer i.R. Göppingen

23.02.25 Seid barmherzig – und werdet Prophetinnen und Propheten!

„Seid barmherzig!“ heißt es im Evangelium dieses Sonntags. Diese Aufforderung habe ich zuletzt äußerst eindrucksvoll von der US-amerikanischen Bischöfin Mariann Edgar Budde gehört. Wie die Propheten des Alten Testaments vor die Herrschenden traten und ihnen ins Gewissen redeten, so predigte sie anlässlich der Amtsübernahme Präsident Trumps vor ihm: "Ich bitte Sie um Erbarmen, Herr Präsident, mit denjenigen in unseren Gemeinden, deren Kinder Angst haben, dass ihnen ihre Eltern weggenommen werden." In der Fernsehübertragung schwenkte die Kamera dann auf die versteinerten Gesichter von Präsident, Vizepräsident und deren Ehefrauen. – Viele Menschen haben Bischöfin Budde für ihre Worte bewundert; das Video ihrer Predigt ging auf Sozialen Medien viral.

Zwei Dinge beeindrucken mich dabei: Zum einen, wie viel positive Resonanz Kirche, hier in Gestalt der Bischöfin, erfährt, wenn sie ihre Stimme ehrlich und mutig zugunsten derjenigen erhebt, deren Stimme sonst untergeht. Zum anderen, dass ein Gebot wie „seid barmherzig!“ eben nicht nur auf individuelles Verhalten zielt, sondern notwendig zu gesellschaftlichem Handeln führt.

Da setzt die Mission der Katholischen Erwachsenenbildung an: Auf der Basis christlicher Werte eine für alle Menschen offene Bildungsarbeit anzubieten, die auch in die Gesellschaft hineinwirkt – z.B. indem wir die Meinungsbildung in gesellschaftlichen Fragen unterstützen. Das unternimmt die keb Göppingen derzeit zusammen mit fünf Erwachsenenbildungen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit der kostenlosen Online-Vortrags-Reihe „Einstehen für Demokratie!“.

Die Reihe begann am vergangenen Dienstag mit dem Vortrag der keb Göppingen: „Auf welcher Grundlage streiten wir? Debattenkultur in polarisierten Zeiten“. Ein Befund war, dass die neue Heftigkeit der Konflikte und die Vielfalt an Medien es zunehmend schwieriger macht, den demokratischen Streit gemeinsam auszutragen. Aber der Kampf gegen die Unterhöhlung der Demokratie darf trotzdem nicht vermieden werden. Er ist notwendiger Bestandteil und eine Voraussetzung von Demokratie.

Vielleicht können wir ab und zu Prophetinnen und Propheten sein wie Bischöfin Budde. Nicht nur privat, sondern öffentlich einstehen für unsere Werte. Zwei davon, Barmherzigkeit und Demokratie, kamen hier zur Sprache. Es gibt noch viel mehr, wofür es sich lohnt einzustehen.


Dr. Frank Suppanz,
stv. Leiter und Bildungsreferent der Kath. Erwachsenenbildung Kreis Göppingen e.V.

 

09.02.25 Ein bisschen mehr Tiefgang, bitte!

„Wer räumt die Gelben Säcke weg?“, fragte die Stuttgarter Zeitung am 24. Januar, und seither ist das Thema auch hier in der Lokalpresse immer wieder auf’s Neue präsent: Vor allem die Menschen im Landkreis Göppingen befüllen ihre Gelben Säcke falsch! Ist es Gedankenlosigkeit, Ignoranz, Protest gegen die Müllgebühren, schwäbische Wurstigkeit, finstere Absicht? Man weiß es nicht. Denn als jemand, der seinen Plastikmüll sorgfältig auf Tauglichkeit überprüft, bevor er ihn in den Gelben Sack wirft, denke ich mir, dass es eigentlich nicht so schwer sein kann, Erlaubtes von Unerlaubtem zu trennen. Und dass alte Autoreifen, ausgediente Matratzen oder abgenagte Schweinehälften nicht in den Gelben Sack gehören, sagt einem eigentlich der gesunde Menschenverstand. Trotzdem tun sich offenbar viele Zeitgenossen schwer damit, dies zu akzeptieren, und zeigen damit etwas auf, was in den Augen vieler Menschen gerade insgesamt in unserer Gesellschaft schiefläuft, nämlich, immer weniger von der Allgemeinheit her zu denken, und stattdessen nur noch die eigenen Interessen zum Maßstab des Handelns zu machen! Immer mehr Menschen fragen nur noch: Was kommt „first“? Natürlich ich selber!

Denn auch das ist ein Phänomen unserer Zeit: Vorteile werden individualisiert, Risiken und Nachteile vergemeinschaftet, d.h. ich selber möchte alle Vorteile aus dem Gemeinwesen ziehen, bin aber immer weniger bereit, etwas zu diesem Gemeinwesen beizutragen. Jeder Verein, jede Kita, jede Schule, die auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen ist, kann ein Lied davon singen!

Nun dürfen oder müssen wir in zwei Wochen ein neues Parlament wählen. Und ich befürchte, dass wir auch dabei einen Gelben-Sack-Moment erleben könnten, indem nämlich auch hier Menschen aus Verzweiflung, aus Ratlosigkeit oder aus Resignation „Protest“ wählen, völlig losgelöst von der Frage, ob die dann gewählte Partei etwas Konstruktives für die Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft beizutragen hat oder nicht. Es ist wie beim Gelben Sack: Hauptsache, ich habe meiner eigenen Befindlichkeit Ausdruck verliehen! Wer hinterher den Dreck wegräumt, ist mir egal!

Am morgigen Sonntag hören wir in den katholischen Gottesdiensten einen Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium, die Erzählung über den wunderbaren Fischfang, in dem Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft dort Eure Netze zum Fang aus!“ (Lk 5,4) Wenn man in seinem Tun zu oberflächlich bleibt, stellt sich oft kein Erfolg ein, oder eben nur ein oberflächlicher. Manches braucht einfach „Tiefgang“, z.B. eine tiefergehende Beschäftigung mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn alle ihren Gelben Sack falsch befüllen, oder wenn viele Menschen am 23. Februar Parteien wählen, die keine konstruktive Idee für unser Land haben.

 

Pfr. Stefan Pappelau
Pfarrer der Seelsorgeeinheit Göppingen

26.01.25 Vertrauen verloren – auf der Suche nach Halt!

Nicht nur in der internationalen, sondern auch in der nationalen Politik ist Verlässlichkeit eine selten gewordene Tugend.

Kann man glauben, was öffentlich gesagt wird? Von Politikern, „Influencern“, Unternehmern – in Diskussionsrunden oder Interviews? Tatsächlich fällt es schwer, den Aussagen zu vertrauen. Faktenchecker müssen alltägliche Beiträge in den sozialen Medien auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Manchmal ist die Unwahrheit ganz offensichtlich. Leider kann man auch öffentliche Institutionen davon nicht völlig ausnehmen. Vertrauensverlust ist zu einem allgemeinen Merkmal unserer Zeit geworden.

Trifft das nicht auch auf den Glauben zu? In Gesprächen über Religion fällt auf, dass viele Menschen sagen, Glaube und die daraus abgeleitete Ethik seien etwas rein Subjektives. Manche bezweifeln sogar, dass es überhaupt objektive Wahrheiten gibt.

Unter Glauben verstehe ich nicht nur den Glauben an Gott, sondern auch, wie sehr ich glaube, was andere Menschen sagen. Allgemein gesagt: Wie sehr kann man anderen Menschen trauen?

Ich denke, wir alle verfügen über Kriterien, um zu beurteilen, ob das, was jemand sagt, wahr ist – ob man ihm vertrauen und glauben kann.

Der Evangelist Lukas hat sich deshalb vorgenommen, den Erzählungen über Jesu Leben, Sterben und Auferstehung von Grund auf sorgfältig nachzugehen, damit sich sein Freund von der Zuverlässigkeit der Lehre, in der er unterwiesen wurde, überzeugen kann. Ebenso können auch wir uns von Lukas, von der Zuverlässigkeit der Lehre Jesu und der Vorbildhaftigkeit seines Lebens überzeugen lassen.

Sicherheit und Verlässlichkeit sind Grundbedürfnisse des Menschen. Wir brauchen stabile Verhältnisse, um ein gutes, erfülltes Leben zu führen. Unsicherheit und Misstrauen hingegen führen oft zu Rückzug oder Aggression.
Halt und Sicherheit, Zuversicht und Hoffnung finden wir, wenn wir – entgegen dem allgemeinen Vertrauensverlust – der zuverlässigen Botschaft von der Auferstehung Jesu und dem von ihm versprochenen Leben in Fülle vertrauen.


Josef Priel
Gemeindereferent, Deggingen / Bad Ditzenbach

12.01.25 Du bist mein geliebtes Kind

Wenn ich beim Familiengottesdienst an diesem Wochenende mit den Kindern über diesen Satz ins Gespräch komme, dann hoffe und wünsche ich mir, dass jede und jeder die Erfahrung kennt „geliebt zu sein“ und sich auch an Momente erinnern kann, in denen sie die Liebe der Eltern, von Geschwistern und Freund:innen spüren.

Wie spüre ich, dass ich geliebt bin? bzw. wie kann ich jemandem zeigen, dass ich ihn oder sie liebe? Vermutlich hat da jede:r ganz persönliche Erfahrungen, wie z.B. eine feste Umarmung am Abend, Zuhören, wenn einen etwas ärgert oder nervt, Trösten und Dasein, wenn jemand in Not ist, der fürsorglichen Blick der Eltern, die Frage „was kann ich Dir Gutes tun?“ oder die wirkliche „Wie geht’s Dir?“-Frage, …

Biblisch ist dieser Satz in der Erzählung von der Taufe Jesu verortet, von der uns in allen vier Evangelien berichtet wird. Mal länger oder kürzer geschildert, aber immer mit dieser einen Botschaft und Beschreibung: „Da öffnete sich der Himmel und eine Stimme sprach: ‚Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen gefunden!‘“ (Lk 3,22; Mt 3,17; Mk 1,11; Joh 1,34). Mit dieser Zusage Gottes wird die Gott-Sohn-Beziehung ins Wort gebracht und wird auch als Beginn des öffentlichen Wirkens verstanden.

Wenn heute Kinder oder auch Erwachsene getauft werden, dann wird jedem und jeder Getauften diese Zusage Gottes zugesprochen: „Du bist mein geliebtes Kind – meine geliebte Tochter – mein geliebter Sohn!“ Sichtbar und spürbar wird es in den Zeichen der Taufe, dass wir Kinder Gottes sind und dass wir Geliebte sind. Diese Liebe, die jeder und jedem zugesagt wird, ist völlig unabhängig von dem, was geleistet wurde. Ich muss mir die Liebe nicht erst verdienen oder erarbeiten. Nein, vielmehr anders herum: weil ich geliebtes Kind Gottes bin, kann ich im Namen und Geist Gottes wirken, handeln und lieben.

Da Gottes Zusage und Liebe nicht nur durch IHN, sondern in auch so vielfältiger menschlicher Weise spürbar, erlebbar und sichtbar wird, ist es wertvoll und ein wichtiger Schritt, dass seit Herbst 2023 in unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart nun auch Frauen und Männer, die kein Weiheamt innehaben, das Sakrament der Taufe spenden dürfen. Teilhabe und Miteinander auf Augenhöhe kann eine Begründung sein, doch vielmehr die Nähe und Beziehungen zu den Menschen und die vielfältige Wirkweise Gottes durch jeden Menschen wird hier für mich sichtbar.

Gemeindereferentin Katharina Schweizer,
Seelsorgeeinheit Oberes Filstal

15.12.24 Warte mal kurz!

So rufen wir uns gerne zu. Aber es ist ein Widerspruch: Warten erlebe ich nie als kurz, sondern lang, für Kinder sogar langweilig… Im Wartehäuschen sitzen, in der Warteschlange stehen, das bedeutet, sich in Geduld zu üben. Als Menschen in Eile müssen wir dann alle ein unerbittliches Vorwärtsdrängen in uns aushalten.

Schön, wenn man weiß, worauf man wartet: Auf eine bestimmte Eintrittskarte und ein schönes Erlebnis, auf den Zug, der mich (wenn er denn kommt) mitnimmt zu einem weihnachtlichen Wiedersehen oder einfach nach Hause… Ich staune oft, welche Kultur des Wartens uns doch eigen ist: Wenn es im Filstal wieder Schienenersatzverkehr gibt, schimpft niemand, und die meisten helfen einander, die Abfahrtstelle des Busses zu finden – und bleiben dabei sogar freundlich. Und das, obwohl das lange Warten den Feierabend doch erst deutlich später beginnen lässt… Ein Wunder!

Im Lukasevangelium wartet auch jemand: Der alte Simeon wartet im Tempel sehnsüchtig auf den Retter – ein Leben lang. „Seine Augen würden ihn noch sehen“, so hatte er Gottes Stimme gehört. Als der neugeborene Jesus von seinen Eltern in den Tempel gebracht wird, nimmt ihn Simeon auf seine Arme und sagt: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden gehen. Denn meine Augen haben dein Heil gesehen.“ (Lukas 2,29 f.) In Klöstern wird dieser schöne Satz bis heute gesungen, bevor die Nacht beginnt, als letztes Gebet vor der Dunkelheit sozusagen – bevor wir unser Leben für eine ganze Weile aus den eigenen Händen geben…

Die Frage wird sein, worauf wir warten. Ob wir uns die Zeit gönnen, überhaupt zu spüren, worin unsere eigentliche Sehnsucht liegt, was der Zielpunkt unseres Lebens ist. „Warten ist eine gute Gelegenheit, Zeit mit sich selbst zu verbringen“, sagte ein kluger Mensch.

Ja, das stimmt, und der Schriftseller Arnold Stadler schreibt in seinem gleichnamigen Buch, „Sehnsucht“ sei:  Hoffnung minus Erfahrung.

Da ist was Wahres dran. Warten zu können, bedeutet nämlich, der Sehnsucht Raum zu geben, sie zu spüren als etwas zunächst Unangenehmes, aber doch Schönes. Sehnsucht steht für das, was uns fehlt, und was wir doch nötig brauchen - und was uns bisweilen geschenkt wird, so dass wir trotz allem „in Frieden gehen“ und weiterleben können.

Joachim Klein
Pfarrer in Donzdorf

08.12.24 Bleibt wach

„Bleibt wach!“ Passt auf, verschlaft nichts! So ruft uns die Adventszeit zu! Nicht weil ein interessanter Film im Fernsehen läuft oder ein Sportereignis mitten in der Nacht übertragen wird – sondern weil Jesus Christus zu uns kommen will.

So wie Konrad, der sehr früh aufgestanden ist, weil Gott zu ihm kommen wollte: An diesem Morgen hatte der Schuster schon früh seine Werkstatt aufgeräumt, den Ofen angezündet und den Tisch gedeckt. Heute wollte er nicht arbeiten. Heute erwartete er einen Gast. Den höchsten, den ihr euch nur denken könnt: Gott selber. Denn Gott hatte ihn im Traum wissen lassen: Morgen werde ich zu dir zu Gast kommen. Nun saß er also in der Stube und wartete voller Vorfreude. Da hörte er draußen Schritte.

„Da ist er“, dachte Konrad und riss die Tür auf. Aber es der Briefträger, der ganz verfrorene Finger hatte. Konrad ließ ihn herein, bewirtete ihn mit einer Tasse Tee und ließ ihn sich aufwärmen. „Danke“, sagte der Briefträger, „das hat gut getan.“ Dann setzte Konrad sich wieder ans Fenster, um seinem Gast entgegenzusehen. Er würde sicher bald kommen.

Es wurde Mittag, aber von Gott war nichts zu sehen. Plötzlich erblickte er einen Jungen, der weinte. Er erfuhr, dass er seine Mutter im Gedränge verloren hatte und nun nicht mehr nach Hause finden konnte. So brachte er ihn heim. Er kam erst zurück, als es schon dunkelte. Enttäuscht legte sich Konrad schlafen. Gott war nicht gekommen!

Plötzlich hörte er Gottes Stimme: „Danke, dass ich mich bei dir aufwärmen durfte – danke, dass du mir den Weg nach Hause zeigtest – danke für deinen Trost und deine Hilfe – danke, dass ich heute dein Gast sein durfte.“

Wachsam sein – was kann das in meinem Leben bedeuten?

  • Eingefahrene Gewohnheiten und Verhaltensweisen heißt es zu überdenken; sie können verletzen oder krank machen.
  • Sehe ich, wo ich anderen zur Last falle oder wo ich die Last anderer mittragen kann?
  • Wo bin ich bequem geworden?
  • Wachsam muss ich sein gegenüber dem eigenen Älterwerden! Kann ich das Nachlassen meiner Kräfte vertragen? Sorge ich vor für das Alter?
  • Wachsam gilt es zu sein gegenüber dem Mitschwimmen im Strom vielfältiger Meinungen.
  • Wachsam zu sein gilt es, denn jede Stunde kann unsere letzte sein. Was heißt dies für unsere Lebensgestaltung?

Die Adventszeit kann uns neu anregen, unser Leben zu überdenken und es auf Gott und damit auch auf unsere Mitmenschen einzustellen. Sie will uns wach halten für die kleinen, leisen Begegnungen mit Gott in unserem Alltag!

Siegfried Seehofer,
Pfarrer i. R.

01.12.24 Siehe, Dein König kommt

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sacharja 9,9b) Dieser uralte Ruf eröffnet die Adventszeit. Siehe, dein König kommt!
Muss das sein? Noch ein König? Noch einer, der sich für etwas Besonderes hält? Noch einer, der meint andere beherrschen zu müssen?
Was wir doch viel dringender bräuchten, sind Pflegekräfte, Entwicklungshelfer, wirklich kluge Köpfe, Brückenbauerinnen, Friedensstifter…

Siehe, dein König kommt. Danke nein. Ich schüttle den Kopf.

Aber dann höre ich den zweiten Teil dieses Rufs. …ein Gerechter und ein Helfer. Ja, das bräuchten wir dann doch. Einen Gerechten. Einen, der die Schere zwischen Arm und Reich langsam, aber sicher wieder zuklappt. Und einen Helfer. Einen an der Seite der Einsamen oder der Kranken. Einen, der den Zusammenhalt stärkt, Vorurteile abbaut, Wärme und Herzlichkeit einbringt. Ja, mit so einem könnte sich wirklich etwas verändern in unserer Welt.

Gerechtigkeit, Hilfe, Heil, Trost, Wärme. Da wird mir ganz weihnachtlich ums Herz. So, als hörte man von Weitem schon die festlichen Trompeten aus Bachs Weihnachtsoratorium: Jauchzet, frohlocket… Siehe, dein König kommt, ein Gerechter und ein Helfer. Eine schöne Botschaft.

Aber auch alle Jahre wieder dieselbe Botschaft. Und unsere Welt ist trotzdem so, wie sie ist. So recht wollen Bachs Trompeten noch nicht passen zu meinem Advent. Also schiebe ich den alten Ruf beiseite.
Doch da fällt mir ein Wort ins Auge. Siehe, DEIN König kommt. Dein. Das ist nicht allumfassend, triumphal, mit lautem Getöse. Dein. Das ist persönlich. Behutsam. Sanft. Dein. Das ist kein grelles Licht, das die ganze Welt auf einmal hell macht. Dein. Das ist die erste Kerze auf meinem Adventskranz, deren flackernde Flamme doch den ganzen Raum erfüllt mit ihrem Schein.

DEIN König kommt. Das ist Advent. Behutsam fängt etwas an. Etwas, das groß werden kann. Und persönlich fängt es an. Ein Gerechter und ein Helfer kommt ZU DIR.
Nichts gegen Bachs Trompeten. Ich mag sie wirklich sehr. Aber jetzt darf erst einmal dieser uralte Ruf klingen und nachhallen. Bei mir. Und bei dir.

Pfarrerin Miriam Springhoff,
Evang. Kirchengemeinde Dürnau-Gammelshausen

24.11.24 Christkönig – Ein König, der dient

Am 24. November wird der Christkönigssonntag gefeiert, der letzte Sonntag des Kirchenjahres. Der Tag, an dem wir Christus als König feiern, erscheint auf den ersten Blick voller Pracht und Herrlichkeit, doch das Königtum Christi unterscheidet sich radikal von den weltlichen Vorstellungen von Macht.

„Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste und der Führende wie der Dienende.“ (Lk 22,25-26). Jesus stellt die Machtverhältnisse auf den Kopf. Sein Königtum basiert nicht auf Unterdrückung, sondern auf dem Dienst an den anderen, auf Demut und Gewaltlosigkeit. Diese Botschaft ist in einer Zeit, in der politisches Machtspiel und militärische Konflikte die Welt prägen, von unverminderter Aktualität.

Gewalt zerstört Beziehungen, Strukturen und Leben. Gewaltlosigkeit baut Brücken und fördert Gemeinschaft. In aktuellen Konflikten, wie dem Krieg in der Ukraine oder den Spannungen im Nahen Osten, wird das Versagen von Diplomatie und Dialog nur allzu gut sichtbar. Doch die Geschichte zeigt, dass wahre Veränderung nicht durch Gewalt, sondern durch friedliche Konfliktlösung möglich ist. Gewaltlosigkeit ist der Weg, um den Teufelskreis von Rache und Gegengewalt zu durchbrechen.

Das Königtum Jesu zeigt sich besonders am Kreuz, wo er durch Hingabe und Liebe bis zum Tod regiert. Hier wird Gottes Wesen sichtbar: bedingungslose Liebe, die sich für andere hingibt. Diese Form der Herrschaft fordert dazu auf, auch unsere „Krone“ abzulegen und uns den Schwachen und Verfolgten zuzuwenden. Besonders in der heutigen Zeit bedeutet dies, den Geflüchteten, die vor Krieg, Verfolgung und Armut fliehen, mit Offenheit und Mitgefühl zu begegnen – unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion. So sollen wir den Weg des Dienens gehen, um Gottes Liebe in der Welt sichtbar zu machen, eine Liebe, die keine Unterschiede macht und alle Menschen umfasst.

Der Christkönigssonntag lädt dazu ein, Christus nicht nur als den König des Universums zu sehen, sondern auch als den König des eigenen Herzens. Wer ihn als solchen anerkennt, folgt seinem Vorbild – in der Gewaltlosigkeit und der bedingungslosen Liebe.
Möge die bevorstehende Adventszeit Raum für diese Friedensbotschaft im eigenen Leben geben und die Hoffnung auf eine friedliche Beendigung der aktuellen Konflikte in der Welt stärken. Ihnen allen ein gesegnetes Christkönigsfest!

Diakon Eckhard Schöffel,
Seelsorgeeinheit Unterm Staufen

10.11.24 To everything there is a reson

So heißt es in einem Lied von Bob Seeger, das vor allem durch die Band The Byrds in den 1960er Jahren bekannt wurde und noch heute oft im Radio gespielt wird. Erst kürzlich habe ich es wieder gehört.

Alles hat seine Zeit: Besonders deutlich wird mir dies im Wandel der Jahreszeiten. Der Sommer ist vorbei, der Herbst mit seinen manchmal trüben Tagen ist da und Sonnenstunden sind eher rar in dieser Zeit. Wenn es draußen im November neblig oder regnerisch ist, kann man es sich zu Hause gemütlich machen, sich die Zeit nehmen, auch mal Inne zu halten und es der Natur gleich zu tun, die jetzt zur Ruhe kommt.

Aber auch nach draußen zu gehen in die Natur, die Bäume zu sehen mit ihren bunten Blättern und dem Farbenspiel in dieser Jahreszeit, ja auch das Welken der Blätter zu sehen und wie die Jahreszeit die Natur verändert, das macht deutlich:

Es gibt für alles eine bestimmte Zeit.

In der Bibel lesen wir: „Alles hat seine Zeit.“ (Kohelet, Kapitel 3). Und wenn ich in die Natur schaue mit ihren unterschiedlichen Jahreszeiten, dann wird dies besonders deutlich und erfahrbar.

Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit:
Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben.
Eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen des Gepflanzten.
Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen.
Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.

Die Natur zeigt mir besonders den Wandel. und die Veränderung.  Die Zeit geht eben nicht im Sommer wie im Winter gleichmütig weiter.
Das Vertrauen in Gottes Schöpfung und das Wissen um die Wiederkehr der Jahreszeiten, dass nach Herbst und Winter wieder Frühling und Sommer folgt ist tröstlich.
Im Buch des Predigers (Kohelet) können wir es auch so lesen, dass Gelassenheit auch jenseits der irdischen Erfahrungen wichtig ist und wir darüber hinaus auf Gott vertrauen können, denn alles hat seine Zeit. 

Dietrich Bonhoeffer drückt es so aus:
Alles Irdische ist nur etwas Vorläufiges und es ist gut, sein Herz an die Ewigkeit zu
gewöhnen. … Dies alles hat seine Zeit und die Hauptsache ist,
dass man mit Gott Schritt hält und ihm nicht immer schon
einige Schritte vorauseilt, allerdings auch keinen Schritt hinter
ihm zurückbleibt. Es ist Übermut, alles auf einmal haben zu
wollen. Alles hat seine Stunde: weinen und lachen… herzen und ferne sein von herzen…zerreißen und zunähen…

Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntag und schöne Herbsttage.

Gerhard Betz
Psychologische Familien und Lebensberatung, Caritas Fils-Neckar-Alb
 

 

27.10.24 Sonntag der Weltmission

Im Monat Oktober begeht die katholische Kirche traditionell den Sonntag der Weltmission. Die Beispielländer des diesjährigen Sonntags der Weltmission sind die pazifischen Inselstaaten Papua-Neuguinea, Vanuatu und die Salomonen. Die Menschen, die dort leben, bekommen bereits jetzt deutlich die Folgen des Klimawandels zu spüren: der steigende Meeresspiegel, überspülte Küstenstreifen, verheerende Wirbelstürme. Zeichen des nicht zu leugnenden Klimawandels. Christliche Solidarität „schreit“ nach gemeinsamen Handeln zur christlichen Solidarität weltweit.

Das Evangelium vom Sonntag erzählt von der Heilung des Blinden Bartimäus. Dieser hört, dass Jesus vorübergeht und schreit laut seine Not heraus. Noch sehr undefiniert, wenig konkret. „Hab Erbarmen mit mir!“ Jesus nimmt diesen Hilfeschrei wahr und sehr ernst. Er lässt ihn zu sich kommen, und erkundigt sich konkret nach seiner Not. Worum geht es? „Was soll ich dir tun?“ Der Wunsch nach Hilfe ist ganz konkret: „Rabbuni, ich möchte sehen können“.  Manchmal können solche "Schreie" auch ganz still sein: ist das Wegbleiben so vieler junger Menschen und junger Familien in unseren Gottesdiensten und Gemeinden nicht vielleicht auch ein (stummer) Schrei? Das Evangelium lädt uns ein hinzuhören! Das Verhalten der Menschen nicht sofort als ärgerlich abzutun, sondern aufmerksam dafür zu sein, ob sich dahinter nicht eine Not verbirgt. Im Text der frohen Botschaft wird dem Blinden Mut gemacht: "Hab Mut, steh auf, er ruft dich!"  Einen solchen Mut brauche ich natürlich auch, wenn ich mit dem nervenden Arbeitskollegen ernsthaft in ein Gespräch kommen möchte. Die Wohnungsklingel der Witwe in der Nachbarschaft drücke, um zu fragen wie es ihr wirklich geht.  Ist der Kollege am Arbeitsplatz wirklich nur mürrisch und ein unangenehmer Zeitgenosse oder ist dieses Verhalten vielleicht ein Schrei einer Not? Was ist mit der Nachbarin, die nach vielen Ehejahren ihren Mann verloren hat und die man in letzter Zeit kaum noch auf der Straße sieht? Muss sie „nur“ über ihren Schmerz hinwegkommen oder ist dieser Rückzug eher ein Schrei der Einsamkeit und Verzweiflung? Ich lerne daraus: ich werde geschickt und gesendet, um die Not der Menschen zu hören. Dieser Schrei ist oftmals sehr unkonkret. Und kann sich ganz unterschiedlich äußern.

Zeigen wir unsere Solidarität nicht nur im Glauben, sondern auch durch ganz konkrete Hilfen und am Klimaschutz orientiertes Verhalten.

Diakon Uwe Bähr,
Bruder Klaus Jebenhausen

20.10.24 Jesus nimmt frei

In unserem Evangelischen Kindergarten musste im Garten ein Teil der Spielgeräte erneuert werden. So manches Holz war morsch und in die Jahre gekommen. Es ist irgendwie befreiend, so viele fröhliche Kinder zu beobachten, die dort wieder toben, spielen und lachen können. Ein schönes Bild!

Zugegeben: Ein bisschen neidisch bin ich schon – in diesen Momenten wäre ich auch gerne wieder Kind. Ganz zweckfrei zu spielen ohne äußere Erwartungen, ganz zu schweigen von den eigenen Erwartungen an mich selbst. Spielen tut gut. Nicht nur Kindern. Auch Erwachsenen. Spielen tut gut, weil wir für diesen Moment den Alltag vergessen können und einfach im Spiel sind: sei es nun beim Sport, beim Kartenspielen, oder bei was auch immer.

In einem wunderbaren Bilderbuch mit dem Titel „Jesus nimmt frei“ von Nicholas Allan wird erzählt, dass Jesus an einem Tag von all seinem Gutes-Tun völlig erschöpft aufwachte. Mit den Wundern klappt es nicht mehr so recht; deshalb geht er zum Arzt. Der Arzt verordnet ihm einen freien Tag, an dem er machen soll, was ihm Freude macht. Das lässt sich Jesus nicht 2x sagen. Er übt Rad schlagen in der Wüste und picknickt unter einer Palme. Er badet im See und macht einen langen Ausritt auf einem Esel. Als es Abend geworden war, wird Jesus traurig und hat ein schlechtes Gewissen, weil er denkt, dass er an dem Tag niemandem geholfen hat. Im Gebet sagt er das seinem Vater. Und Gott? Gott zeigt ihm noch einmal die Orte, wo Jesus den Tag über gewesen ist. Beim Rad schlagen in der Wüste sind Wasserquellen entsprungen, wo er gepicknickt hatte, tragen die Bäume herrliche Früchte. Während er schwamm, hatten die Fischer einen großen Fang und alle, denen Jesus auf dem Esel begegneten, wurde es ganz warm ums Herz. Schließlich sagt Gott: „Du siehst, nur wenn du selbst froh bist, kannst du auch andere froh machen“.

Wir brauchen diese Momente und Zeiten, wo wir alles um uns vergessen dürfen – ganz vertieft in eine Sache, die uns guttut.
Die Kinder in unserem Kindergarten können uns Vorbild sein. Zweckfrei und im Moment leben, einfach sein.
Die Zusage von Gott im Bilderbuch „Jesus nimmt frei“ kann uns vielleicht helfen, wenn wir den Eindruck haben, völlig erschöpft zu sein. „Nur wenn du selbst froh bist, kannst du auch andere froh machen“.

Pfarrer Matthias D. Ebinger

13.10.24 Glückskekse

Schüler und SchülerInnen kennen das, Berufspendler im öffentlichen Nahverkehr sowieso. In Bus und Bahn sitzend, ist man froh, wenn die Pünktlichkeit eingehalten wird und man ohne Ausfälle von A nach B kommt. Dort sitzen oder stehen dann einem meist völlig fremde Menschen gegenüber und in den allermeisten Fällen ist jeder in seine eigenen Gedanken vertieft oder starrt auf sein Mobiltelefon. Nicht, dass ich gerne mit jedem ein Gespräch begonnen hätte, oder mich unterhalten würde, aber die meist mürrischen Gesichter machen mich ratlos. Ein schönes Sprichwort sagt: „Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.“

Werde ich dann schon als naiv oder einfältig abgestempelt, wenn ich mir erlaube ein freundliches Gesicht zu machen? Oder laufe ich Gefahr, missverstanden zu werden und mein Gegenüber reizt meine Freundlichkeit es als Angebot oder Aufforderung zu verstehen? Dann wäre mein Ansinnen freundlich zu sein, in völlig falsche Bahnen geraten.  Mache ich mich vielleicht lächerlich, wenn ich grüße? Grüß Gott, ist für mich nicht nur eine Floskel. Grüße mir und Dir Gott, bedeutet für mich auch, Sei Gott befohlen oder Geh mit Gott. Niemand sollte sich provoziert fühlen, wenn wir uns freundlich begegnen und schon gar nicht, wenn wir uns freuen. Wir dürfen unsere Freude zeigen, und wie Eduard Mörike schon sagte: „Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut.“.

Vielleich würde es helfen, Glückskekse zu verteilen, die meisten Zitate und Sprüche lassen die Menschen lächeln oder zumindest für einen kurzen Augenblick die Seele berühren. „Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann. (Christian Morgenstern). Das Lächeln signalisiert, mein Gegenüber nimmt mich wahr, ist vielleicht mitfühlend und fürsorglich. Denn oft ist es ja auch so, dass Menschen in Bus oder Bahn einen sorgenvollen Tag oder weiten Weg vor sich haben, und dann tut so ein kurzes Lächeln bestimmt gut. Lächeln ist freundlich, immer. Für einen strengen Gesichtsausdruck müssen viel mehr Gesichtsmuskeln aktiviert werden, als für ein gewinnendes Lächeln.

Möglich, dass die freundliche Begegnung einen dann nicht mehr loslässt, einen berührt und vielleicht sogar dankbar werden lässt. Dankbarkeit, auch so ein Empfinden, das uns glücklich machen kann. Die Dankbarkeit lässt sich auch ausdrücken in den Bibelworten mit dem Psalm 103:

“Lobe Gott, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“

Ständiges Streben nach Glück überfordert das Leben leicht, doch augenblickliche glückliche Momente bereichern das Leben ungemein, geben Zufriedenheit und ein Gefühl von Ruhe und Frieden.

Sabine Waldinger-Röhrle
Dekanatsbeauftragte Kirche und Schule

22.09.24 Visit Germany

„Visit Germany“, war auf dem Werbeplakat einer skandinavischen Rederei zu lesen. Darunter waren vier Highlights aufgeführt, die einen Besuch in Deutschland lohnen:

1. die deutsche Autobahn,
2. romantische Schlösser,
3. deutscher Wein,
4. deutsche Wurst.

Ich kam mit finnischen Freunden ins Gespräch darüber, was sie denn mit Deutschland verbinden: Die Freiheit auf deutschen Autobahnen sei reizvoll, die Schlösser pittoresk und die Wurstauswahl gigantisch. „Aber was wir vor allem an euch bewundern, ist euren Umgang mit der Geschichte.“ Ich war überrascht, denn hierzulande mehren sich ja die Stimmen, die fordern, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Wenn man miterlebt, wie die Nachbarländer ihren Nationalfeiertag feiern, mit stolzgeschwellter Brust und patriotischen Reden, wird man als Deutscher schon etwas kleinlaut. Aber hat nicht gerade unsere Erinnerungskultur viel Positives gezeitigt? Unsere Demokratie ist belastbar, unser Land menschlich und offen. Deutschland wird weltweit geachtet und respektiert, und das trotz des Unheils, das Deutschland vor 85 Jahren über die Welt gebracht hat. Der Schlussstrich, den viele fordern: er ist längst gezogen: Nicht wir, unsere Nachbarvölker haben ihn gezogen, als sie unsere Vorfahren kurz nach dem Krieg erneut in die Gemeinschaft der europäischen Völker aufnahmen und am Ende gar die deutsche Einheit ermöglichten. Im Buch der Sprüche (28,13) heißt es: „Wer seine Missetat bekennt, der wird Barmherzigkeit erlangen“. Zu unserer Erinnerungskultur gehört eben nicht nur das eigene Versagen, sondern auch ganz viel unverdiente Gnade! Ich glaube daran sollten wir unbedingt festhalten – und die richtigen Schlüsse für die Gegenwart daraus ziehen. Dann wäre uns nicht nur weiterhin die Anerkennung unserer Freunde im Ausland gewiss. Auf ein Deutschland, das sich in den gegenwärtigen Krisen ebenso großherzig zeigt, wie einst andere ihm gegenüber, dürften wir auch selbst zu Recht stolz sein.

 

Pfarrer Johannes Wahl
Ev. Kirchengemeinde Faurndau-Wangen-Oberwälden

15.09.24 Alte und neue Gewissheiten

Wir Menschen wollen Gewissheit! Damit wir Dinge, die um uns herum geschehen, richtig beurteilen und daraus die passenden Schlussfolgerungen ziehen können. Die Angehörigen der israelischen Geiseln wollen Gewissheit, dass ihre Liebsten noch am Leben sind. Wer einen Knoten unter der Haut spürt, will die Gewissheit, dass es nichts Ernstes ist. Wer tausende Euro für einen Urlaub ausgibt, will die Gewissheit, dass das gebuchte Traum-Ferienhaus auch wirklich existiert und er keinem Betrug aufsitzt.
Und gleichzeitig schwinden viele Gewissheiten, die unserem Leben bislang Struktur gegeben haben. Spätestens seit Donald Trump spüren wir, dass Dinge, die bis dahin als „normal“ galten, es längst nicht mehr sind. Zum Beispiel, dass politische Entscheidungen zum Wohl der Allgemeinheit getroffen werden und nicht aus ideologischen Prinzipien oder zum persönlichen Vorteil. Es ist seit dem Klimawandel längst nicht mehr gewiss, dass im Sommer die Sonne scheint und es im Winter schneit. Oder dass es in Europa keinen Krieg mehr geben wird, oder keine totalitären Regierungen – was ist schon noch gewiss? Wer glaubt noch ernsthaft an die Zuverlässigkeit der Deutschen Bahn oder daran, dass „Made in Germany“ die Welt in Staunen versetzt? So viel ist gewiss!
Vielen Menschen macht das Angst und sie blicken sorgenvoll in die Zukunft.
Am 14. September feiern die Christen ein Fest, das ebenfalls für Gewissheit sorgen wollte: das Fest „Kreuzerhöhung“. Als das Christentum im Römischen Reich Anfang des vierten Jahrhunderts zur Staatsreligion wurde, setzte ein regelrechter „Run“ auf die Heiligen Stätten in Jerusalem ein. Nach der Überlieferung sollen dabei auch Anfang Mai des Jahres 325 die Überreste des Kreuzes Christi gefunden worden sein, welche am 14. September desselben Jahres zum ersten Mal der staunenden Menge gezeigt wurden. Wie, um den Menschen die Gewissheit zu geben: Seht her, es ist wirklich geschehen, hier ist der Beweis!
So einfach ist es leider nicht mehr. Wenn schon der Glaube an irdische Gewissheiten schwindet, dann der Glaube an überirdische Dinge umso mehr! Die Gewissheit, dass es nach dem Tod weitergeht, teilen viele unserer Zeitgenossen schon längst nicht mehr, genauso wie den Glauben an einen dreifaltigen Gott oder die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi.
Was mich beschäftigt, ist die Frage, was denn wohl eines Tages an die Stelle der alten Gewissheiten treten wird? Werden die neuen Ideologien besser sein, werden uns rein wissenschaftliche Erkenntnisse die notwendige Orientierung geben? Wem oder was werden wir in ethischen Fragen verpflichtet sein?
Einfach werden diese Fragen nicht zu beantworten sein – so viel ist gewiss!

Stefan Pappelau,
Pfarrer der kath. Gesamtkirchengemeinde Göppingen