„Visit Germany“

„Visit Germany“, war auf dem Werbeplakat einer skandinavischen Rederei zu lesen. Darunter waren vier Highlights aufgeführt, die einen Besuch in Deutschland lohnen:

Pfarrer Johannes Wahl

1. die deutsche Autobahn,
2. romantische Schlösser,
3. deutscher Wein,
4. deutsche Wurst.

Ich kam mit finnischen Freunden ins Gespräch darüber, was sie denn mit Deutschland verbinden: Die Freiheit auf deutschen Autobahnen sei reizvoll, die Schlösser pittoresk und die Wurstauswahl gigantisch. „Aber was wir vor allem an euch bewundern, ist euren Umgang mit der Geschichte.“ Ich war überrascht, denn hierzulande mehren sich ja die Stimmen, die fordern, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Wenn man miterlebt, wie die Nachbarländer ihren Nationalfeiertag feiern, mit stolzgeschwellter Brust und patriotischen Reden, wird man als Deutscher schon etwas kleinlaut. Aber hat nicht gerade unsere Erinnerungskultur viel Positives gezeitigt?
Unsere Demokratie ist belastbar, unser Land menschlich und offen. Deutschland wird weltweit geachtet und respektiert, und das trotz des Unheils, das Deutschland vor 85 Jahren über die Welt gebracht hat. Der Schlussstrich, den viele fordern: er ist längst gezogen: Nicht wir, unsere Nachbarvölker haben ihn gezogen, als sie unsere Vorfahren kurz nach dem Krieg erneut in die Gemeinschaft der europäischen Völker aufnahmen und am Ende gar die deutsche Einheit ermöglichten. Im Buch der Sprüche (28,13) heißt es: „Wer seine Missetat bekennt, der wird Barmherzigkeit erlangen“. Zu unserer Erinnerungskultur gehört eben nicht nur das eigene Versagen, sondern auch ganz viel unverdiente Gnade! Ich glaube daran sollten wir unbedingt festhalten – und die richtigen Schlüsse für die Gegenwart daraus ziehen. Dann wäre uns nicht nur weiterhin die Anerkennung unserer Freunde im Ausland gewiss.
Auf ein Deutschland, das sich in den gegenwärtigen Krisen ebenso großherzig zeigt, wie einst andere ihm gegenüber, dürften wir auch selbst zu Recht stolz sein.


Pfarrer Johannes Wahl
Ev. Kirchengemeinde Faurndau-Wangen-Oberwälden