Ein bisschen mehr Tiefgang, bitte!

„Wer räumt die Gelben Säcke weg?“, fragte die Stuttgarter Zeitung am 24. Januar, und seither ist das Thema auch hier in der Lokalpresse immer wieder auf’s Neue präsent: Vor allem die Menschen im Landkreis Göppingen befüllen ihre Gelben Säcke falsch!

Quelle: Pfarrbriefservice

Ist es Gedankenlosigkeit, Ignoranz, Protest gegen die Müllgebühren, schwäbische Wurstigkeit, finstere Absicht? Man weiß es nicht. Denn als jemand, der seinen Plastikmüll sorgfältig auf Tauglichkeit überprüft, bevor er ihn in den Gelben Sack wirft, denke ich mir, dass es eigentlich nicht so schwer sein kann, Erlaubtes von Unerlaubtem zu trennen. Und dass alte Autoreifen, ausgediente Matratzen oder abgenagte Schweinehälften nicht in den Gelben Sack gehören, sagt einem eigentlich der gesunde Menschenverstand. Trotzdem tun sich offenbar viele Zeitgenossen schwer damit, dies zu akzeptieren, und zeigen damit etwas auf, was in den Augen vieler Menschen gerade insgesamt in unserer Gesellschaft schiefläuft, nämlich, immer weniger von der Allgemeinheit her zu denken, und stattdessen nur noch die eigenen Interessen zum Maßstab des Handelns zu machen! Immer mehr Menschen fragen nur noch: Was kommt „first“? Natürlich ich selber!

Denn auch das ist ein Phänomen unserer Zeit: Vorteile werden individualisiert, Risiken und Nachteile vergemeinschaftet, d.h. ich selber möchte alle Vorteile aus dem Gemeinwesen ziehen, bin aber immer weniger bereit, etwas zu diesem Gemeinwesen beizutragen. Jeder Verein, jede Kita, jede Schule, die auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen ist, kann ein Lied davon singen!

Nun dürfen oder müssen wir in zwei Wochen ein neues Parlament wählen. Und ich befürchte, dass wir auch dabei einen Gelben-Sack-Moment erleben könnten, indem nämlich auch hier Menschen aus Verzweiflung, aus Ratlosigkeit oder aus Resignation „Protest“ wählen, völlig losgelöst von der Frage, ob die dann gewählte Partei etwas Konstruktives für die Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft beizutragen hat oder nicht. Es ist wie beim Gelben Sack: Hauptsache, ich habe meiner eigenen Befindlichkeit Ausdruck verliehen! Wer hinterher den Dreck wegräumt, ist mir egal!

Am morgigen Sonntag hören wir in den katholischen Gottesdiensten einen Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium, die Erzählung über den wunderbaren Fischfang, in dem Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft dort Eure Netze zum Fang aus!“ (Lk 5,4) Wenn man in seinem Tun zu oberflächlich bleibt, stellt sich oft kein Erfolg ein, oder eben nur ein oberflächlicher. Manches braucht einfach „Tiefgang“, z.B. eine tiefergehende Beschäftigung mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn alle ihren Gelben Sack falsch befüllen, oder wenn viele Menschen am 23. Februar Parteien wählen, die keine konstruktive Idee für unser Land haben.

 

Pfr. Stefan Pappelau
Pfarrer der Seelsorgeeinheit Göppingen

____________

Weitere Sonntagsgedanken der letzten Zeit finden SIe auf:
Sonntagsgedanken auf der Seite "Inspiration Glaube"