Die große Frage

Manche Geschichten finde ich sehr anschaulich und treffend wie diese Fabel, die auf einer alten Kloster-Handschrift zu lesen ist: In einem Fluss sprachen die Fische zueinander: „Man sagt immer, dass unser Leben vom Wasser abhängt. Dabei haben wir doch noch niemals Wasser gesehen. Wer kann uns sagen, was Wasser ist?“

Tobias Schart, ev. Pfarrer

Einige, die klüger waren als die anderen, antworteten: „Im Meer lebt ein gelehrter Fisch. Der soll alle Dinge kennen. Lasst uns zu ihm schwimmen und ihn bitten, uns das Wasser zu zeigen.“ So machten sich die Fische auf und gelangten schließlich in das Meer. Sie fanden den gelehrten Fisch und fragten ihn nach dem Wasser. Der gelehrte Fisch hörte sie an und sprach zu ihnen: „Ihr dummen Fische! Ihr lebt und bewegt euch täglich im Wasser. Aus dem Wasser seid ihr gekommen, zum Wasser kehrt ihr am Ende wieder zurück. Ihr lebt mitten im Wasser, aber ihr wisst es nicht!“

Immer wieder fragen Menschen: „Wo ist Gott? Gibt es ihn?“ und „Brauchen wir ihn überhaupt?“ Im Alltag unseres Lebens erkennen wir gar nicht, dass uns Gott eigentlich immer nahe ist, „in ihm leben, weben und sind wir“ (Apg.17,28). Wir meinen, als aufgeklärte Menschen, da wir Gott nicht sehen und beweisen können, gäbe es ihn auch nicht. Deshalb nehmen wir seine Gegenwart nicht wahr. Obwohl er ständig bei uns ist – wie das Wasser bei den Fischen – kommt uns auf Grund unserer begrenzten Sicht der Dinge gar nicht in den Sinn, dass wir ihm alles um uns herum verdanken und dass er uns mit seiner Gnade umgibt. Und das ist „dumm“, wie der gelehrte Fisch zu Recht sagt. Es ist dumm, weil wir dann das Wesentlichste in unserem Leben übersehen, nämlich den, der uns das Leben geschenkt hat, den, der uns mit seiner Liebe und Gnade umfängt und den, der uns dereinst empfangen wird, wenn wir aus diesem irdischen Leben scheiden.

Machen wir es also nicht so wie diese Fische in der Geschichte, die das Selbstverständliche um sich herum nicht wahrnehmen, sondern sind wir sensibel dafür und anerkennen, dass unser Gott immer bei uns ist.

Das wünscht Ihnen und erholsame Urlaubstage,


Tobias Schart
ev. Pfarrer in Bad Boll